Da ich ja die Rechte an meinen ersten Büchern zurück habe, konnte ich in den letzten Wochen mal wieder die Manuskripte vom Ostseeroulette durchforsten. Dabei fiel mir die absolut beste Hafenkinoszene, die ich je erlebt habe, in die Hände.
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Los gehts:
Anlegesplattermovie.
Mittags in einem kleinere Hafenbecken der dänischen Südsee. Bis auf 3 Boxen und einem Steg zum längsseits anlegen ist alles belegt. Vorn im Becken baden ein paar Kinder, andere fahren mit ihren Dingis herum. Die Stimmung kann man als hyggelig bezeichnen.
Eine deutsche Yacht legt an. Der Skipper und Eigner, ich nenne ihn mal Herrn Wichtig, springt von Bord und fragt überall nach dem Hafenmeister. In diesem Hafen gibt’s aber kein Hafenbüro (“Unmöglich”) und der gute Mann komm halt mal morgens und Abends vorbei gegrätscht. Also wird er angerufen und an den Steg zitiert. Etwa 20 Minuten später kommt er angeradelt. Herr Wichtig klärt ihn auf: ein Freund kommt gleich auch dazu, er besteht darauf, in einer der vorderen Boxen rückwärts anzulegen. Er hat jedoch an die 2m Tiefgang. Herr Wichtig wolle nun wissen, ob die Tiefenangaben im Hafenhandbuch stimmen. Der Hafenmeister zuckt mit den Schultern:
“Das ssstimmte mal, aber das ist ssson lange her. Niemand weiss, wie tief es hier ist.”
Sauer dreht Herr Wichtig ab (“Unmöglich”). Eine Viertelstunde später steht er wichtig auf dem Steg und fuchtelt mit den Armen. Was dann kommt, glaubt mir niemand. Zum Glück habe ich Zeugen.
Der große Eimer kommt in den Hafen, begleitet von Musik und lautem Gejuchze. Der große Eimer, der so groß ist, dass in Dänemark ganze Inseln damit transportiert werden könnten. Nun würde man denken, das dort ein Kegelclub unterwegs ist, es ist aber nur das Skipperpärchen. Er und sie. Der Einfachheit halber gebe ich auch ihnen Namen: Bei Paaren hat sich Bimmel (er) und Bommel (sie) bewährt.
Ich fange mal mit Bimmel an. Bei solch einem Plastikhaus, so groß wie die Hafencity, macht es Sinn, bei Hafenmanövern zu stehen. Allein das Steuerrad könnte man auf dem Hamburger Dom als Riesenrad einsetzen. Bimmel aber sitzt. Und hat eine Kippe im Mund. Ein Wunder, dass sie noch brennt, denn er kommt mit Vollgas rein. Die Kippe wäre mir nicht sonderlich aufgefallen, aber als ich Bommel sehe, weiss ich: die haben für ihre Freunde einen besonders coolen Auftritt geplant. Bommel fletzt sich supicool mit Kippe im Mund auf dem Decksaufbau und statt der Vorleine hat sie einen Longdrink in der Hand. Gespielt lässig winkt sie zu ihren Bekannten herüber. Die lachen. Auftritt gelungen. Irgendwie hat das was von Ballermann. Auch wegen ihrem Stirnband.
In einem Film würde man nun abblenden und die coole Szene wäre im Kasten. Nun ist Anlegen aber kein Film und so läuft das Bild unerbittlich weiter – bis zum bitteren Ende. Und dieses Ende wird bitter und lässt lange auf sich warten.
Bimmel überholt im Hafen noch eine 27 Fuß Yacht bevor er dann bemerkt, dass der Hafen bald zu Ende ist. Also Hebel einmal rüber und auf Vollgas zurück. Bommel sitzt immer noch, nippt cool an ihrem Drink. Die Yacht fährt rückwärts, Vollgas. Bis zur Hafeneinfahrt, dann wieder Vollgas vorwärts. Bommel sitzt noch immer. Bimmel auch. Und Bimmel fährt nun näher an den Dalben vorbei. Er will sich die Situation erst einmal ansehen. Da er nicht steht, muss er nah ran, denn so sieht er ja nix. Kurz neben der Box stoppt Bimmel. Also nicht Bimmel, sondern das Boot. Es sitzt auf. Im Hafen scheint es eine flache Stelle zu geben. Bimmel und Bommel lachen. Nächstes Manöver: Vollgas rückwärts, und dabei wild am Steuerrad drehen. Der Hafen verwandelt sich in ein Wellenbad. Erste Schaulustige stehen an den Stegen. Segler – eben noch im Cockpit in der Sonne liegend – richten sich auf.
Nach einer Weile kommen die beiden frei. Bommel hat immer noch ihr Glas in der Hand, tut sehr unbeteiligt, prostet den Freunden zu. Cool. Bimmel hinten wird etwas rötlicher im Gesicht. Danach wieder Vollgas nach vorn, wobei Bimmel nicht mitbekommt, dass er fast ein Dingi mit Vater und Kind überfährt. Bimmel bleibt sitzen. Er sieht nach vorn einfach nichts. Und Bommel auch nicht, denn sie ist mit Drink und den Freunden am Steg beschäftigt. Es werden weitere Vor-Zurück-Vollgas-Manöver gefahren. Es wird noch mal aufgesetzt.
Erste Münder auf den anderen Booten öffnen sich.
Endlich versucht Bimmel, das Boot in die Box zu rangieren. Man erkennt es nur daran, dass er immer Blickkontakt mit der Box hält. Sein Manöver ist völlig irre – denn Vollgas bleibt die beliebte Hebelstellung und Wind (etwa 4 Bft.) ist für ihn kein Faktor, den man berechnen sollte. Anscheinend möchte er noch eine Runde fahren, fährt aber mit der Nase nicht im Wind an, sondern so, dass das Boot vorn rumgedrückt wird. (Das Geld für ein Bugstrahlruder fiel wohl den Crewgläsern zum Opfer). Bommel hat die Kippe im Mund, Glas in der einen, Vorleine in der anderen Hand. Lässig wird gedreht bis….KNARTSCH!…das Boot gegen einen Dalben fährt. Bimmel konnte ihn nicht sehen, denn er sitzt immer noch rauchend hinten. Nach diesem Manöver hatte Bommel kein Glas mehr in der Hand. Ich hoffe, sie hat es weg gestellt. Oder es liegt im Wasser. Ich konnte es nicht erkennen. Wenn es über Bord gegangen ist, liegt es sicher nicht mehr im Hafen, denn wegen der hohen Geschwindigkeit dürfte es bis zur nächsten Insel geflogen sein.
Bommel lächelt nicht mehr. Bimmel auch nicht. Er bedient wie wild Steuerrad und Gashebel.
Beim Zurücksetzen (Vollgas) fährt Bimmel wieder auf das Flach und die Yacht sitzt zum Dritten mal fest. Nun dauert es geschlagene 5 Minuten, bis er wieder frei ist. Mittlerweile wurde aus dem Lächeln lautes Rufen mit den Freunden am Steg. Herr Wichtig hat einen guten Einfall: Bimmel soll doch vorn im Hafen längsseits gehen. (Endlich!)
Als der Eimer wieder frei kommt, fährt Bimmel die Kiste tatsächlich zum vorderen Steg, um dort längsseits zu gehen. Mit Vollgas. Wind ist noch immer kein Faktor, der berücksichtigt werden kann. Bei einem Schiff, dessen Spiegel so groß ist wie mein Parasail, ist Wind aber nicht unwichtig. Sitzend (!), mit Vollgas und 15 Knoten Wind im Rücken geht es Richtung Steg. Da die Lenkbewegungen wild sind und man nicht erkennen kann, mit welcher Seite eigentlich angelegt werden soll, läuft Bommel auf dem Vorschiff herum wie ein wildes Huhn. Sie hat einen Fender in der Hand, weiss aber wohl nicht, auf welcher Seite sie ihn anbinden soll. Die Vorleine ist mittlerweile auch vertüdelt. Bommels Bemühungen, weiterhin cool zu wirken, sind den Bach runter gegangen. Bommel ist hektisch. Sie ruft etwas zu Bimmel, der sie sitzend (!) weder hört (Vollgas) noch sieht. Während sie dort also rumläuft macht es ein gewaltiges Geräusch. GFK meets altes Holz. Und zwar mit Vollgas. Jeder in dem Hafen weiß: das war gerade teuer. Vollgas zurück – aufgesetzt. Bimmel stellt sich hin. Kinder werden vom Hafen weg gerufen, Möwen verlassen die Region. Menschen stehen an Deck und haben Angst um ihr Boot. Danebrogs werden eingeholt. Denn Bimmel und Bommel brauchen 3 weitere Versuche, längsseits festzumachen. Immer Vollgas, immer ohne den Wind zu beachten.
Als der Eimer dann nach etwa 30 Minuten (ich übertreibe nicht) fest ist, beginnt im Hafen ein lautes Applaudieren. Normalerweise genießt man Hafenkino ja still. Aber dieser Film hier war wirklich der größte Splattermovie, den man sich vorstellen kann.
20 Minuten später: ich lese. Laute Schreie tönen durch den Hafen. Bimmel und Bommel schreien sich an. Es wäre sicherlich besser gewesen, nach dem Anlegen einen Drink zu servieren und eine Kippe zu rauchen. Nun aber ist es dafür zu spät. Und der Film endet schlecht.
Einfach köstlich so ein Hafenkino...
Beim Lesen dieses Kapitels habe ich schon vor Jahren Tränen gelacht, aber auch jetzt habe ich es wieder mit Freude gelesen. Nicht aus Schadenfreude und weil Bimmel und Bommel Hafenkino vom Feinsten produziert haben, sondern weil es einfach so gut geschrieben ist.