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Als Ostseesegler auf Binnenrevieren: Erfahrungen eines wundervollen Sömmer"törns". Teil 1.

Dieses Schild kommt mir sehr bekannt vor. Ein paar Sekunden überlege ich, woher ich das Logo kenne. Dann sehe ich den Schriftzug darunter: "Brandenburg Hbf". Das Logo darüber ist also das des "VBBR", dem ÖPNV aus Brandenburg an der Havel, unserer neuen Heimat. Seit Tagen schon fühlten wir uns sehr weit von zu Hause entfernt, nun aber steht dort die etwa 5 Meter Breite und 2,50 hohe Realität vor uns, überdacht und an den Seiten mit Glas verkleidet: Eine Bushaltestelle. Der Bus, der hier hält, würde uns in etwa 20 Minuten direkt bis vor unsere Haustür fahren. Eigentlich waren wir also noch in unserer Stadt.


Binnenträume


Schon als ich meine Varianta 18 DIGGER auf der Ostsee herumsegelte, habe ich immer mal davon geträumt, eine Binnentour zu machen. Ich hatte damals Erdmanns Binnen-Buch gelesen und fand das alles sehr reizvoll. Mangels Auto und mangels Trailer hatte das jedoch nie geklappt.

Dieses Jahr war es endlich so weit. Nachem wir im März von Berlin nach Brandenburg a.d. Havel gezogen sind und das Boot nur 400 Meter entfernt von uns liegt, war uns klar, dass es dieses Jahr eine Binnentour geben sollte. Wohin? Egal - so halte ich das ja schon seit langem.


Torte ist das ideale Boot für diese Gewässer. Kein Tiefgang (Schwert) und eine großartige Mastlegevorrichtung, die man ganz easy einhand bedienen kann. Der Spargel ist in einer Minute gestellt oder gelegt. (Wenn sich nichts vertüdelt wie im Video).



Man kann sich hier im Revier treiben lassen wir wohl nirgendwo sonst (außer in der Dänischen Südsee), denn überall hier sind Wasserwege, Flüsse, Kanäle und allein in Brandenburg 3.000 Seen. Im Frühsommer hatte ich noch die Idee, von hier aus über die Elbe bis hoch zur Müritz und über Berlin wieder zurück zu fahren. Dem widersprachen aber einige Sachverhalte:


1. Torte auf die Elbe erschien mir angesichts des Motors als sehr riskant

2. Im Sommer ist an den Schleusen so voll wie früher vor den Apple Stores, wenn das neue iPhone heraus kam. Wenn ich irgendwas nicht mag - dann sowas.

3. Berlin hat den Wasserweg kaputt gemacht. Eine Schleuse geht nicht und anderer Stelle ist eine Passage gesperrt, wegen einer Bombe (dazu später noch mehr)


Also war der Plan, keinen zu haben und die Elbe zu ignorieren. Allein unsere Seen im Umland könnten wir in drei Wochen niemals ganz erkunden.


Woche 1 (19km)


An einem Samstagnachmittag wollen wir los und in der ersten Nach ankern. Daraus wird jedoch nichts, weil für den Abend eine Unwetterwarnung heraus gegeben wird. Der RBB überschlägt sich. Also bleiben wir die Nacht im Heimathafen "Alte Feuerwache", gehen schwimmen, lesen Bücher und liegen im Cockpit herum.

Auch am Sonntag, an dem die große Hitzewelle beginnt (der RBB überschlägt sich), entscheiden wir, noch einen Tag zu bleiben. Denn die Kühlbox, die ich Tage zuvor gekauft habe, macht genau eines nicht: kühlen. Da wir die nächsten Tage erst mal in der Wildnis verbringen und auf der Strecke vermutlich nie wieder irgend eine Kühlbox im Umkreis von 50 Km zu finden sein wird, bleiben wir und fahren am Montag mit "Boden", dem Twingo, eine neue Kühlbox kaufen.



Urlaubsklar


Nachdem die neue Box ihren Dienst aufnimmt und wir noch 4 Stunden warten, bis alles runtergekühlt ist, legen wir ab. Kurs: Breitlingsee, ein wunderbarer See, etwa 4 Meil.. äh, 9 Kilometer von uns entfernt. Vor der kleinen Kanincheninsel ankern wir. Abends werfen wir den Bordgrill an, fahren mit Zitterbacke und dem Torqeedo zur Insel, wo wir Polly lüften. Die Nacht ist sternenklar, das Wasser wie ein Spiegel. Man hört nichts, außer das Klatschen der springenden Fische und die Möwen.




An diesem Punkt mal eine Erklärung: Ich werde beim Posten meiner Bilder oft gefragt, warum denn beim Ankern der Mast liegt. Das hat einen einfachen Grund. Hier ballern gern mal Motorbratzen rum. Die schnellen Gleiter sind kein Problem, aber die Gartenlauben aus Stahl, die nichts anderes machen als zu Verdrängen. Dann kommt manchmal ziemlich heftiger Schwell. Da das Schwert beim Ankern oben ist (sonst klapperts) geht der Schwerpunkt des Bootes nach oben. Ich finde, mit gelegtem Mast schaukelt es sich viel besser. Das dazu.




Vor Anker auf dem Breitlingsee


Am nächsten Tag wollten wir eigentlich weiter. Eigentlich. Wir sind noch geblieben. Denn es war absolut windstill und an die 40 Grad, so dass der Ankerplatz für uns perfekt war. Anja fand heraus, das man mit unseren Secumar-Festtoffwesten prima einfach im Wasser schweben kann, ohne sich zu bewegen. Zwar schwebt sie mit ihren unter 60 Kilo wesentlich besser als ich aber wir verbringen fast den ganzen Tag im Wasser. Auch Polly.



Defekter Filter

Irgendwann, ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr wann, verlassen wir den wundervollen Ankerplatz und wollen ein gutes Stück die Havel runter fahren. Wir überqueren den Breitlingsee, dann den Plauer See, fahren an Plaue vorbei und weiter die wundervolle Havel entlang. Kurz hinter Plaue fängt der Motor an, zu zicken und die Drehzahl sackt immer mal wieder ab, dann wieder hoch, dann wieder runter. Als wir Plaue passierten, sah ich ein großes WERFT-Schild. Vor uns lag nun die Brandenburger Wildnis - da gibt es Adler, Biber und Störche, doch keine Werften - und deshalb drehen wir kurzerhand um, damit mal jemand nach der Maschine guckt. Denn wenn wir noch irgendwo Service finden, dann hier. Denkste. Keiner hier hat Zeit - überall liegen offenbar kaputte Motorbratzen. "Also, in vier Wochen könnte ich mal kommen", ist die Standardantwort.




Zum Glück habe ich einen lieben Freund, der sich beruflich mit Motoren beschäftigt und ganz in der Nähe lebt. Beim telefonischen Support stellt sich heraus, dass mein Dieselvorfilter kaputt ist. Am nächsten Tag kommt er vorbei um mir einen neuen Filter zu bringen. Dabei stellt sich heraus, dass die Vorförderpumpe des Diesels kaputt ist. Ersatzteile für einen Ruggerini zu finden ist in etwa so wie Trüffel suchen. Es scheint zunächst aussichtslos. Zwei Tage später jedoch kommt er mit der alten Pumpe zurück. Mit Ersatzteilen einer Perkins-Pumpe hat er meine wieder zum Leben erweckt. McGuyver lebt! Aus zwei Membranen wurde eine, doch die Pumpe läuft trotzdem.

Einen Tag bleiben wir noch, da wir Besuch bekommen. Wir fahren mit Zitterbacke, dem Dingi mit Torqeedo bestückt auf der Havel herum und grillen abends an Bord.

Dann ist Montag. Eine Woche ist rum. Bevor wir ablegen, gehen wir noch einkaufen und sehen auf dem Weg die bereits genannte Bushaltestelle. Dann geht es weiter die Havel runter.



Überall Motorbratzen


Fazit der ersten Woche: 19 Kilometer. Also etwa 10 Seemeilen (ich komme mit diesen Kilometerangaben auf Binnengewässern nicht klar, da verknotet sich mein Kopf.) 10 Seemeilen habe ich normalerweise am ersten Tag mittags schon gesegelt. Egal: Es ist traumhaft. Torte ist ein wundervolles Boot und darauf Urlaub zu machen. Und zwei Wochen liegen ja noch vor uns.

Ich glaube, dass binnen die Strecken in Kilometern gezählt werden, weil es sich dann nach mehr anhört. Wenigstens sind Tagestörns dann zweistellig.










Wer kein Boot hat und das auch mal ausprobieren will:



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