Es gibt verschiedene Möglichkeiten, seine Bücher selbst herauszugeben. BoD (Books on Demand) und kdp (Kindle Direct Publishing) sind die wohl bekanntesten Plattformen. Ich habe mich seinerzeit für Amazons kdp entschieden. Warum? Nun, beim Marktführer zuhause zu sein, ist sicherlich nicht ganz verkehrt. 18 Monate später bin ich mir ziemlich sicher, damit die richtige Wahl getroffen zu haben.
Wie alle großen Player wird Amazon seit Jahren immer wieder massiv kritisiert. Firmen, die Anfangs als cool galten, wie Apple, Google, Facebook und eben Amazon, werden irgendwann groß und mächtig und dann stehen sie in der Kritik. Ich bin kein Wirtschaftswissenschaftler sondern popeliger Autor, kann aber meine Erfahrung dazu mitteilen.
Amazon. Die Bösen.
Ich lese öfter mal, dass manche Menschen Amazon boykottieren, weil sie böse sind. Immer wieder liest man, dort werden tausende Mitarbeiter schlecht behandelt und ausgebeutet. Jetzt vor kurzem war wieder so ein Amazon-Boykott-Tag, bei dem aufgerufen wurde, dort nicht zu kaufen. Auf Facebook las ich auf der Seite eines Öffentlich-Rechtlichen-Senders die ganzen Kommentare dazu. Und das war sehr interessant. Denn nachdem sich dort zig User über die schlechten Bedingungen als Arbeitnehmer aufgeregt und ihrem Unmut freien Lauf gelassen haben, kommentierte plötzlich ein erster Mitarbeiter, dann noch einer und dann wurden es einige. Tenor: Wir werden gut behandelt, fair bezahlt und unsere Arbeitszeiten sind völlig normal. Danach war in den Kommentarspalten Ruhe. Es ist offenbar nämlich gar nicht so schlimm, wie das Viele behaupten.
Ich denke, es gibt dort, wie überall, gute und schlechte Seiten.
Zweitens wird immer behauptet, Amazon kille den Einzelhandel, vor allem den Buchhandel. Ich erzähle mal eine Geschichte, die mir letzte Woche passiert ist. Ich war vorletzte Woche in einem Buchladen (Kette) und fragte dort nach dem neuen Buch über den Fall Relotius "Tausend Zeilen Lügen" von Juan Moreno. Die Verkäuferin tippte auf ihrem Tablet und zeigte mir dann ähnliche Titel, die statt Lüge zum Beispiel "Liebe" und sowas enthielten. Sie wusste offensichtlich nichts von diesem Buch. Irgendwann fand sie es und sagte: "Ach, das kommt erst am 16. raus."
Ich bedankte mich und sagte, dass ich dann am 16. wieder kommen würde. Sie korrigierte das aber: "Wissen Sie, das ist nur der Wunschtermin, an dem so ein Verlag das Buch herausbringen will. Das klappt aber nie. Das wird dann erst ein paar Tage später hier sein. Soll ich Ihnen eines reservieren?" Ich sagte ihr, dass ich dann nächste Woche wieder kommen würde.
Letzten Samstag war ich dort. Eine andere Verkäuferin tippte auf ihrem Tablet und sagte:
"Nein, das ist nicht mehr da. Der Verlag hat wohl nicht mit solch einem Ansturm gerechnet. So ist das Buch ausverkauft. Es kommt in etwa 2-3 Wochen wieder rein." Abgesehen davon, dass ich glaube, dass eher die Filiale das Buch falsch eingeschätzt und offenbar zu wenige bestellt hatte (man kannte den Titel eine Woche zuvor nicht mal) hab ich dann bei Amazon geschaut. Da gab es das Buch noch als Prime Artikel (ohne Lieferkosten) und für den Folgetag lieferbar. Heute übrigens immer noch.
Es kommt oft vor, dass ich im Handel frage und dann kommt "kann ich ihnen bestellen, ist in drei Tagen hier." Bestellen kann ich jedoch auch selbst.
Das gleiche hatte ich gerade im Fahrradladen um die Ecke. Ein großer Laden. Ich brauchte einen neuen Reifen für mein 28 Zoll Fahrrad. In der handelsüblichen Größe gab es nur ein einziges Modell, welches aber für mich nicht das richtige war. Es wurde mir angeboten, im Internet ein Modell rauszusuchen und dann wieder zu kommen, dann würde man es bestellen. Es wurde mir keine Auswahl gezeigt oder etwas in der Richtung. Wenn ich nun "28 Zoll Reifen Mountainbike Straße" google, dann lande ich wo? Klar - bei Amazon. Dort ist er sofort lieferbar.
Was ich sagen will: Amazon ist groß, verschlingt viele Händler. Aber Amazon macht seinen Job auch richtig gut - besser als alle anderen. Umtauschen ist dort ohne Wenn und aber möglich, es wird in der Regel am nächsten Tag geliefert und ich bekomme dort alles. Das Thema Umweltschutz zählt für mich nicht, denn es ist egal, ob der Händler bestellt oder ich. Ein Postbote muss dafür immer fahren. Und im Zweifel muss ich auch noch fahren, um zum Händler zu kommen.
Amazons Kundenservice ruft einen an, wann immer man das will. Und in der Regel wird sich auch gekümmert. Bei der Kundenfreundlichkeit kenne ich kein besseres Unternehmen, auch wenn auch da natürlich in Einzelfällen was schief geht.
Ich will damit gar nichts gegen den Einzelhandel sagen. Im Gegenteil: Ich liebe gute Buchhandlungen. Und ich kaufe, egal was, am liebsten im Einzelhandel. "Support your local Dealer" hat seine Berechtigung. Allerdings muss es gleichzeitig auch heißen: "Support your Customer". Mein Lieblingsbuchhändler ist das Kulturkaufhaus Dussmann. Aber ich finde, es gibt dort wie bei Amazon Pros und Contras. Amazon einfach schlecht reden (weil sie große sind) finde ich ungerechtfertigt.
Übrigens ist Amazon - so lustig das auch klingen mag - meine Benchmark, was Kundenservice anbelangt. Ich versuche, immer mehr von denen zu lernen, wenn ich selbst Bücher online vertreibe. Ich habe im Shop sogar einen Chat eingerichtet, der immer online ist. Bald schaffe ich es auch, so schnell zu liefern. Ich gebe mir Mühe. Und da ist Amazon mein Vorbild.
Amazon. Die Guten
Sehen wir den Riesen Amazon mal aus der Perspektive eines Buchautoren: Das, was dort auf die Beine gestellt wurde, hat mir anfangs die Sprache verschlagen, weil es einfach so gut und einfach zu bedienen ist und so kundenfreundlich. Man lädt sein fertiges Manuskript hoch, benennt das Buch, macht ein paar Angaben und Texte dazu, pflegt das Cover ein. Wenn man nicht weiß, wie man ein Cover baut, kann man das auch mit dem Cover Creator (Vorlagen) online zusammen bauen. Dann bekommt man eine Vorschau, die Druckkosten werden
angezeigt und danach kalkuliert man den Preis. Sofort wird herausgeworfen, was man dann an einem Buch übrig hat. Dann klickt man auf "Veröffentlichen". Amazon prüft zunächst den Text und das Buch auf Fehler und ein wenig später bekommt man per eMail mitgeteilt, dass das Buch nun im Shop verfügbar ist. Dann geht man natürlich in den Shop und schaut nach. Bei meinem ersten Buch war ich völlig baff. Sonntagabend habe ich das Buch eingestellt und hochgeladen, Montag früh war es im Shop als Prime Artikel mit kostenloser Lieferung am nächsten Tag. Unglaublich.
Einen Tag dauert das Ganze nur. Und es kostet den Autoren nicht einen Cent. Für die Probe- und Autorenexemplare, die man bestellen kann, bezahlt man lediglich die Druckkosten plus Versand. Amazon selbst verdient an den eigenen Exemplaren nichts. Daher kann ich meine Bücher auch dem Einzelhandel zum Verkauf anbieten, mit einer für die Händler sehr guten Marge. Ein paar Händler beziehen bereits bei mir. Zum Einstieg kann ich ihnen sogar Kommission anbieten. Es ist für den Händler also völlig ohne Risiko. Ich musste bisher allerdings noch nie ein Buch zurücknehmen.
Amazon. Die Innovativen
Nun, Amazon hat spezielle Drucker. Geht eine Bestellung ein, wird irgendwo auf der Welt innerhalb von Minuten das Buch ausgedruckt und verschickt. Mir hat mal jemand erzählt (der sich das angesehen hat), dass es nur wenige Minuten von dem Klick auf "Bestellung" bis zum fertigen Buch dauern darf.
Es ist übrigens auch egal, wo bestellt wird. Denn diese Drucker stehen überall auf der Welt. Ich habe schon Bücher in Amerika, Frankreich, England etc. verkauft. Bestellt dort jemand einen meinen Titel, wird es halt in dem betreffenden Land gedruckt und dort versendet. Sogar in Japan geht das.
Das Ganze hat noch einen weiteren Vorteil: Da es keinen Lagerbestand gibt, kann man das Buch jederzeit ändern. Denn es gibt keine fehlerfreien Bücher. Wenn eine Verlagsauflage Fehler enthält, dauert es bis zum Abverkauf der ersten Auflage (wenn man die überhaupt jemals abverkauft), ehe man die Fehler beseitigen kann. Wenn mir Dienstags jemand schreibt, dass auf Seite 14 ein doppeltes Wort enthalten ist, ändere ich das im Manuskript, lade das neue Maniskript hoch und Mittwochs werden dann die Bücher ohne den Fehler ausgeliefert.
Amazon rechnet die Tantiemen monatlich ab. Man bekommt sie sechzig Tage nach Ende des Monats aufs Konto überwiesen, pünktlich wie die Maurer - vermutlich sogar wesentlich pünktlicher als Maurer im Durchschnitt. Im Dashboard sieht man die einzelnen täglichen Verkäufe, hat diverse Analysetools und Übersichten.
Amazon, die Komischen
Seltsam wird es, wenn die Abrechnungen kommen. Man bekommt eine Payment Notification, eine Payment Nummer (alles per eMail) und das war's. Kein Zahlungsbeleg, nichts. Auch wird keine Umsatzsteuer überwiesen, weil Amazon die selbst abführt. Also schreibt man jeden Monat eine Rechnung an Amazon in Luxemburg (die dort sicher nie jemand abheftet) und packt diese als Beleg zu seinen Unterlagen. Da sind alle Autoren etwas verwirrt, helfen sich aber gegenseitig im kdp-Autorenforum. Da ich fast nur innerhalb der EU verkaufe, ist das nicht weiter wild. Schwierig (vor allem für den Steuerberater) wird es, wenn man viele Bücher in den USA verkauft. Das gleichen kennen übrigens viele, die Apps in den Stores verkaufen und mit Google und Apple arbeitet. Aber, das soll sich ja offensichtlich in Zukunft ändern, wenn die EU und unsere Regierung in dieser Hinsicht mal aus dem Quark kommen.
Amazon. Die Mächtigen
Am Anfang ist es zunächst wichtig, im Ranking nach oben zu kommen. Taucht man in den Bestsellerlisten auf, kommen Verkäufe ganz von allein. Taucht man nicht auf, verkauft man gar nichts. Es ist allerdings erstaunlich, wie gut es funktioniert, wenn man in den Listen vertreten ist. Auch bei Google taucht man mit seinen Titeln sofort auf. Man bekommt schnell ein Gespür dafür, was für ein Riese Amazon als Marktplatz ist. Die erreichen einfach wahnsinnig viele Menschen. Und das ist das beste, was einem Autoren passieren kann.
Ich sah vor kurzem eine Doku über die Marktmacht von Amazon. Natürlich kam, was in solchen Dokus kommen musste: Viele Einzelhändler, die geflucht haben, weil es so ein großer Konkurrent ist und alles platt macht. Interessant war jedoch ein Weinhändler. Der hatte nämlich von Anfang an gar nicht erst versucht, Amazon zu bekämpfen (sinnlos) oder gar zu ignorieren (dumm), sondern hat mitgespielt und ist dort Marketplace Händler. Ich fand seine Darstellung sehr interessant. Er zog das Fazit, dass alle was davon haben, sowohl er als auch seine Kunden. Denn im Normalfall könne er es sich nur leisten, eine kleine Auswahl an Weinen im Laden zu verkaufen, weil sonst der Wareneinsatz und die Lagerhaltung zu teuer wären. Da er aber auf Amazon verkauft, kann er ein viel breiteres Angebot auch in seinem Geschäft zur Verfügung stellen. Dadurch hat er als kleiner Einzelhändler eine riesige Auswahl und das spricht sich herum. Also kommen mehr Kunden in sein Geschäft und er verkauft viel besser. Das ist ein positiver Aspekt der Sache.
Es gibt aber auch negative Geschichten. Denn Marketplace Händler, die dort Produkte verkaufen und irgendwann sehr hohe Stückzahlen erreichen, werden von Amazon offenbar häufig gesperrt - und zwar dann, sobald Amazon das erkannt hat und diese Produkte dann selbst verkauft. So etwas ist natürlich eine Katastrophe.
Amazon. Mein Fazit
Amazon ist sicherlich kein Fair Trade Unternehmen (also, zu uns Autoren schon). Aber ohne diese Plattform wäre vieles gar nicht möglich. Vor allem im Buchbereich nicht. Es gibt wirklich sehr viele gute Autoren, die wunderbare Titel heraus bringen und die bei Verlagen niemals eine Chance gehabt hätten. Und ob die großen Verlage Fairtrade-Unternehmen sind, lasse ich mal offen. Ich persönlich fühle mich in der Umsetzung meiner Bücher auch viel freier. Ich kann all das machen, wie ich mir das vorstelle, Dinge ausprobieren, ohne an - teilweise altbackene - andere Meinungen gebunden zu sein. Und mittlerweile kann ich davon leben. Allerdings auch nur, weil ich sehr sehr wenig zum Leben brauche und noch andere Schreibjobs mache.
Das viele Verlage Amazon verteufeln, ist mir zu plump. Amazon verkauft weltweit Millionen von Büchern auch von Verlagen. Es ist auch nicht so, dass jedes Buch, würde es nicht auf Amazon verkauft werden, sonst woanders gekauft werden würde. Ich bin davon überzeugt, dass sehr viel additiver Umsatz auf Amazon generiert wird.
In meiner Ansicht haben viele große (und kleine) Verlage in der Vergangenheit ein paar Fehler im Umgang damit gemacht. Erst haben Sie Amazon ignoriert, danach verteufelt und heute fehlen ihnen die Antworten. Ich finde auch, dass die Honorare von Autoren nicht mehr zeitgemäß sind. Diese Sätze stammen noch aus Zeiten, in denen der Autor selbst überhaupt keine Möglichkeit hatte, sein Buch zu vermarkten. Heute ist das anders und die Autoren machen selbst sehr viel dafür. Manche Special-Interest-Autoren - da beziehe ich mich mit ein - erreichen sogar mehr Leute als Verlage. Die machen den Hauptteil der Vermarktung selbst. Aber kaum ein Verleger bewegt sich da in Richtung derer, die sich die Bücher ausdenken und sie schreiben. Als Autor bist Du da immer noch der Letzte am Napf.
Ich hatte vor ein paar Monaten ein Telefonat mit einer Einkaufsgemeinschaft mehrerer Buchhändler. Ich wollte denen meine Bücher auf Kommission zum testen schicken. Als das Wort Amazon fiel, wurde die andere Seite schmallippig. Man würde diese Bücher nicht verkaufen. Nun verkaufen sie die Bücher halt nicht, trotz Null Risiko. Das ist letztlich nicht mein Problem, sondern ihres.
Mein nächstes Buch hat übrigens nichts mit Segeln oder Hunden zu tun. Davon verspreche ich mir viel. Ich hätte für dieses Buch niemals einen Verlag gefunden, ganz sicher.
(Bilder: Stephan Boden, Amazon kdp Screenshots, Pixabay)
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